Eine Stadt
im Spätmittelalter
Als Spätmittelalter bezeichnet man in Wien die Zeit ab dem beginnenden
13. Jh. bis zum beginnenden 16. Jh. Im fortgeschrittenen 13. Jh. verlegte
Ottokar von Böhmen den Sitz der Herzöge vom Platz Am Hof ins
Widmerviertel, an die Stelle der heutigen Hofburg. Die Häuser Wiens
waren um diese Zeit aus Stein errichtet, wie zahlreiche Ausgrabungen und
Bauuntersuchungen an stehenden Gebäuden zeigen. Die Wasserversorgung
erfolgte über Hausbrunnen. Auffällig ist, daß einige der
bis jetzt untersuchten Brunnen nicht im Hinterhof sondern an der Straßenflucht
lagen, dadurch waren sie sowohl von der Straße als auch vom Hausinneren
zu erreichen. Im fortgeschrittenen 13. Jh. kommt es zu einem Anwachsen
der Formenvielfalt im archäologischen Fundmaterial. Diese größere
Bandbreite an Formen und Typen spiegelt auch Entwicklungen in der Bausubstanz
der Stadt und in der Bevölkerung wieder.
Im Schatten
der Burg - das jüdische Viertel Wiens
Unmittelbar nördlich der Babenberger Burg, am heutigen Platz Am Hof,
entwickelte sich noch im 13. Jh. das zweite jüdische Viertel. Es
erstreckte sich im Bereich Drahtgasse - Färbergasse - Schwertgasse
- Wipplingerstraße - Jordangasse - Kurrentgasse - Schulhof. Die
Lage in unmittelbarer Nähe der Burg versprach Sicherheit und konnte
auch in anderen Städten nachgewiesen werden. Im Zentrum des Viertels
befand sich die Synagoge, die den Bereich des westlichen Judenplatzes
einnahm. Auf dem östlichen Teil konnte ein ausgedehnter Wohnblock,
der bei Grabungen 1996 zum Vorschein kam, befundet werden. Erst die Zerstörung
der Synagoge und des östlichen Hauses im Jahr 1421 schufen den heutigen
Platz.
Die Kirchen
Wiens im Mittelalter
Der Mautener Tauschvertrag aus dem Jahr 1137 stellt den ersten Hinweis
auf eine Kirchenentwicklung in Wien dar. Mit diesem Vertrag wurde die
Voraussetzung für den Bau der Kirche St. Stephan geschaffen. Im Gegenzug
wurde ein Teil des Pfarrausstattungsgutes der Pfarre St. Peter abgetreten.
Diese Nachricht bestätigt damit indirekt die Existenz einer Kirche
zu St. Peter. Auch der Bau der Kirche zu St. Ruprecht dürfte um diese
Zeit erfolgt sein. Eine weitere Quelle bestätigt die Weihe der Kirche
zu den Schotten, eine Stiftung Heinrich Jasomirgotts, im Jahr 1200. In
der 1. Hälfte des 13. Jh. wurde mit dem Bau der Michaelerkirche begonnen,
deren Weihe um die Mitte des 13. erfolgte. Um diese Zeit kam es auch zum
Bau der Vorgängerkirche von Maria am Gestade und der Minoritenkirche.
Im ausgehenden Mittelalter gab es bereits Niederlassungen der wichtigsten
Orden in Wien.
Die Befestigungsmauern
Wiens
Auch wenn die archäologische Quellenlage zum jetzigen Zeitpunkt noch
keine detaillierteren Aussagen ermöglicht, läßt sich doch
von einem zweistufigen "Szenario" in der Entwicklung der Wiener
Stadmauer und damit der Wiener Stadtbefestigung im ganzen ausgehen. Die
erste mittelalterliche Stadtmauer - deren Erbauungsdatum ungewiß
ist, behielt ihre Bedeutung für die Stadt wohl bis ans Ende des 12.
Jh. Wahrscheinlich war diese Mauer sowohl in Anlage als auch in Bausubstanz
von der ehemaligen römischen Lagermauer beeinflußt. Der Bau
der zweiten mittelalterlichen Mauer wird für die Zeit knapp vor,
um, oder etwas nach 1200 angenommen. Zur Bekräftigung des fortifikatorischen
Aspekts muß auch sowohl im Zusammenhang mit der ersten als auch
mit der zweiten Mauer jeweils die Anlage bzw. Wartung eines Grabens gesehen
werden.
(I.
Gaisbauer und D.
Schön, Stadtarchäologie Wien)
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