1. Tiefgarage Neuer Markt
Im Jahre 2002 wurde das Projekt einer Tiefgarage unter dem Neuen Markt erstmals in Angriff genommen, es sollte jedoch bis zur Realisierung noch viele Jahre dauern. Zuerst gewünscht, dann jedoch vehement abgelehnt, ergab erst 2012 eine neuerliche Bürgerbefragung eine Zustimmung für das runderneuerte Projekt, auch der Bezirk und die Stadt Wien als Grundstückseigentümerin gaben grünes Licht und so wurde mit den Bauarbeiten zu Beginn des Jahres 2019 begonnen. Gestartet wurde mit den diversen Einbautenumlegungen an den Rand des Platzes, bevor im Laufe des Jahres der flächige Aushub für den Garagenkörper in Angriff genommen wurde.
Bereits in den Jahren zuvor war es zu umfangreichen Vorarbeiten gekommen, wie etwa Sondierungsbohrungen im Bereich des vorgesehenen Garagenkörpers, bzw. wurden auch die Keller der umliegenden Häuser nach bauarchäologischen Kriterien untersucht, exakt dokumentiert und in einem „Kellerkatalog“ präsentiert. Die Dokumentation war nötig, da die Keller teilweise in den Bereich des Garagenkörpers ragten und bereits im Zuges des Aushubs der Baugrube abgebrochen werden mussten.
Auf Grund der exponierten Lage der Tiefgarage mitten im Herzen Wiens war die archäologische Begleitung des gesamten Bauvorhabens grundsätzliche Vorbedingung für die Erteilung einer Baugenehmigung und mit dem Bundesdenkmalamt akkordiert. Beauftragt von der Neuer Markt Garagenerrichtungs- und Betriebs GmbH, die auch die kompletten Kosten dafür übernommen hat, waren während der gesamten Dauer der Aushubarbeiten, die bis Ende Jänner 2022 dauern sollten, Mitarbeiter der Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie vor Ort.
Wie bereits erwähnt, spielte die archäologische Begleitung des Bauvorhabens bereits bei der Planung des Projekts eine große Rolle; ist doch der Neue Markt ein historisch äußerst bedeutsamer Platz, der in den mittelalterlichen Quellen erstmals 1234 zu fassen ist. Davor jedoch lag hier zur Zeit der Römer die Lagervorstadt, die cannabae legionis, die sich halbkreisförmig um das Legionslager Vindobona erstreckte, also auch das Gebiet des heutigen Neuen Marktes erfasste.
Ab dem Ende des 3. Jh. nach Chr. wurde die Lagervorstadt aufgegeben und danach bis in die Mitte des 5. Jahrhunderts als Begräbnisstätte genutzt. Gräber dieser Zeitstellung wurden bereits während des Baubooms des späten 19. Jahrhunderts gefunden, auch diverse Einbauten in neuerer Zeit hatten immer wieder entsprechende Befunde erbracht.
Die Erwartung war also groß, in den bis dato noch unberührten Flächen des Platzes weitere Gräber, aber eventuell auch noch Reste der römischen Verbauung freizulegen.
Ergebnisse der Grabung im Überblick
Begonnen wurde im Jänner 2019 mit der Umlegung der diversen Einbauten, wie Strom, Gas, Wasser, Telefon, etc. von der Mitte des Platzes an den Rand. Der in der Mitte des Platzes gestandene „Providentia Brunnen“ war bereits im Oktober des Vorjahres abgebaut worden, um das Baufeld vorzubereiten. In den für die Einbautenumlegung gegrabenen insgesamt 37 Künetten ergaben sich dabei erste Befunde. So stieß man des Öfteren auf Mauern der Keller der am Rand des Platzes situierten Häuser, aber auch von solchen, die nicht mehr existent und vor allem im Norden spätestens 1901 dem Bau des sogenannten „Herrnhuter-Hauses“ zum Opfer gefallen waren. Aber auch die ersten Gräber wurden in den Künetten freigelegt, meist einfache Erdgräber, aber auch ein Ziegelplattengrab mit komplett intakter Abdeckung aus großen, zum Teil auch gestempelten Tegulae, war dabei.
Da der Neue Markt vor allem in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs massiv durch das Kriegsgeschehen betroffen war, wurde gleichzeitig auch eine Abklärung auf das Vorhandensein von Kriegsmitteln durchgeführt. Neben einem großen verfüllten Bombentrichter an der Nordseite des Platzes wurden nach der flächigen Sondierung durch die Firma Bartosch insgesamt 37 verdächtige Flächen definiert, die geöffnet und untersucht wurden. In zweien wurden ebenfalls mehrere Gräber freigelegt.
Für die Anlage der Bohrpfähle entlang des Garagenkörpers und die mittig gesetzten Hilfspfähle wurde großteils ebenfalls bis zu einer Tiefe von 2,0 bis 2,5 m vorgeschachtet, auch dabei konnten in insgesamt vier dieser Vorschachtungen Bestattungen aufgedeckt werden.
Im Nordosten des Platzes auf Höhe von Neuer Markt ON1 wurde im Zuge dieser Bohrpfahlsetzung auch ein bis dato nicht bekannter Keller angeschnitten. Er konnte nur durch die Bohröffnung von oben her betreten und dokumentiert werden. Der annähernd 14,0 m lange und zwischen 4,5 und 6,5 m breite Raum schloss im Westen an den bereits dokumentierten Keller des Hauses im dritten Untergeschoss an, hatte einen vermauerten Zugang zu diesem und kann auf Grund von Mauerbild und Ziegelformaten wie dieser in das frühe 19. Jahrhundert datiert werden. Der Raum war völlig leer und entweder bereits im Zuge des Neubaus des Hauses 1896/97 abgemauert worden, möglicherweise auch erst nach Kriegsende, als das heutige Gebäude errichtet wurde.
Ab der Mitte des Jahres 2019 wurden einzelne Flächen festgelegt, die ebenfalls fortlaufend nummeriert und vorerst bis auf die Höhe des 1. Deckels der Garage, ca. 2,50 m unter dem heutigen Niveau, abgetieft wurden. (Die dabei aufgedeckten Befunde wurden dann in einer zweiten Phase nach dem Einzug dieses Deckels nach unten hin weiter verfolgt.)
Bauliche Befunde
Diese flächigen Untersuchungen waren, wie erwartet, äußerst fundträchtig und ergaben zahlreiche bauliche Befunde. So wurden neben den sich in die Mitte des Platzes ausdehnenden Keller der randständig gelegenen Häuser, auch zahlreiche weitere Mauerzüge und wie weiter oben bereits erwähnt, auch bis dato völlig unbekannte Kellereinbauten freigelegt. Die meisten davon datieren in die Neuzeit, aber einzelne Bauteile, wie etwa beim Haus Neuer Markt 15, sind wohl noch früher entstanden.
Wie etwa auch der ganz im Norden der Baufläche freigelegte Mauerkomplex, der teilweise noch in das Spätmittelalter datiert, und der in die zeitlich nachfolgenden Kellereinbauten mittlerweile nicht mehr existierender Gebäude, die hier ursprünglich situiert waren, mit einbezogen wurden.
Diesem Mauerkomplex vorgelagert befand sich der bereits weiter oben erwähnte große Bombentrichter. Durch den Einschlag der Bombe, die wohl Teil der großen Bombardierungswelle des 12. März 1945 war, waren hier die Kellereinbauten großteils zerstört und erst wieder auf einem wesentlich tieferen Niveau unter dem Deckel 1 in Rudimenten fassbar, auch zwei gemauerte Brunnen bzw. Zisternen an der Nordseite.
Nach Süden hin konnten auf diesem Niveau die Reste weiterer neuzeitlicher Kellerräume freigelegt werden, die wohl ebenfalls zu den ehemals an der Nordseite des Platzes gestandenen Gebäuden gehört haben.
Daneben konnten nun auch die bereits im Vorfeld dokumentierten Keller der Häuser Neuer Markt 9, 11, 12 und 15 von außen bis zu ihrer Unterkante freigelegt und von ihrer Lage her exakt vermessen werden.
Hervorzuheben ist bei den neuzeitlichen Befunden eine Latrine , die vor dem Haus Tegetthoffstraße 3 angeschnitten wurde. Die bei Sondierungsbohrungen im Jahr 2019 gemachten Beobachtungen hatten bereits darauf hingewiesen, nun wurde der Befund beim Abtiefen für die Ein/Ausfahrtsrampe der Garage in einer Tiefe von etwa 3,0 m unter dem heutigen Straßenniveau verifiziert. Der Baukörper lag parallel zur angrenzenden Baulinie; die massiven, 1,0 m starken, aus Ziegeln hochgezogenen und gut vermörtelten Mauern umschlossen einen quadratischen Latrinenschacht, der wohl zum ehemals hier von 1539 bis 1790 situierten Bürgerspital gehört haben dürfte.
Die Außenmauern waren ca. 5,5 m hoch erhalten und erstmals bei einer Höhe von 14,95 m über Wr. Null erkennbar. Bis zu einer absoluten Höhe von 11,19 m über Wr. Null war der Schacht mit neuzeitlichem Abbruchschutt verfüllt, erst darunter konnte die „normale“ Latrinenverfüllung festgestellt werden, die bis zu einer Höhe von 9,15 m über Wr. Null ausgehoben wurde. Auf diesem Niveau war die erforderliche Bautiefe erreicht, ein weiteres Abbauen war deshalb auch aus bautechnischen Gründen nicht möglich. Die Sohle der Latrine wurde nicht erreicht, sie dürfte auch wesentlich tiefer liegen, hat doch die vorangegangene Sondierungsbohrung die Verfüllung bis zumindest in eine Tiefe von 14 m unter dem rezenten Niveau verfolgt, das wäre bei etwa 4 m über Wr. Null.
Neben den geborgenen Funden – viele glasierte Keramikbruchstücke, darunter auch etliche erhaltene Apothekergefäße, aber auch Glasfläschchen und ein kompletter Pfeifenkopf, wurden aus der Verfüllschicht etwa 12 Liter an Materialproben zur archäobotanischen Untersuchung entnommen.
Zu den jüngsten Befunden zählen die beiden am Südende des Platzes freigelegten Zisternen, die 1942 während des 2. Weltkrieges im Hinblick auf die drohende Bombardierung der Innenstadt und dadurch mögliche Flächenbrände als Löschwasserbecken, aber auch als Reservoir für die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser dienen sollten. Ob dies jedoch jemals der Fall war, lässt sich auch jetzt nicht sagen. Ihre ungefähre Lage war bekannt und konnte nun auch verifiziert werden. Sie bestanden aus jeweils einem länglichen, überwölbten Baukörper, aus armiertem Beton gefertigt und waren bereits durch das 1972 errichtete Lüftungsbauwerk der U-Bahnlinie U1 angeschnitten und teilweise abgebrochen worden; der noch vorhandene Baukörper wurde anschließend mit Beton bzw. Gräder verfüllt. Beide Zisternen wurden nun komplett freigelegt und dokumentiert.
Der modernen Infrastruktur der Stadt zuzuordnen sind die an drei Stellen freigelegten Reste des Schienenunterbaus für die hier von 1907 bis 1942 verkehrende Straßenbahnlinie 58.
Parallel zueinander verliefen in einem Abstand von 0,9 m schmale, durch die Länge der Ziegel definierte, Mauern. Alle 1,5 m waren sie mit ebenso breiten Quermauern verbunden, die mit einem Gewölbebogen abschlossen. Die Ecken dieser Bögen wurden mit weiteren Ziegeln ausgezwickelt, so dass eine ebene Oberfläche entstand. Darauf lag eine Betondecke, die in Rudimenten vorhanden war, auch Reste einer Stahlträgerkonstruktion, auf der wohl die Schienen auflagen, waren erkennbar.
Die Straßenbahntrasse, die erst 1948 endgültig abgebrochen wurde, verlief zweigleisig von der Oper kommend über die Tegetthoffstraße auf den Neuen Markt und endete im Norden des Platzes an einer durch eine Weiche geregelten Schleife, an der die Züge in die Gegenrichtung zurückgeführt wurden.
Ein Haltestellenschild der Linie wurde ebenfalls in der Verfüllung des Bombentrichters gefunden.
Römische Mauerbefunde
Die römerzeitlichen Mauern befanden sich fast ausschließlich in der durch wenige bis keine rezenten Einbauten gestörten Fläche in der Mitte des Platzes. Es konnten hier zahlreiche einzelne Mauerreste freigelegt werden, die als Teil von Häusern der römischen Cannabae anzusehen sind.
Lediglich zwei zusammenhängende Mauerbefunde konnten dokumentiert werden. Bei einem umschließen drei Mauern einen kleinen Raum, von ihm aus gelangt man über eine Schwelle und eine Stufe in einen weiteren, größeren Raum, von dem allerdings nur mehr zwei rechtwinkelig zueinander stehende Mauern erhalten geblieben sind.
Beim zweiten ergeben zwei im rechten Winkel zueinander stehende Mauern einen annähernden Hausgrundriss, aber auch diese Mauern brechen nach wenigen Metern ab, bzw. werden durch die Baugrube und rezente Einbauten geschnitten. Innerhalb der eingeschlossenen Fläche fand sich eine flach gelegte Ziegelbruch-Planierschicht, eventuell als Ausgleichslage für eine Bodenkonstruktion.
Auch die Reste dreier Abwasserkanäle konnten freigelegt werden; der Boden bestand aus flachliegenden Tegulae, seitlich davon waren in einigen Bereichen Reste der begrenzenden niedrigen Mäuerchen erhalten.
Feuerstellen und Öfen
Insgesamt wurden eine Feuerstelle und zwei Öfen aufgedeckt, wobei die Feuerstelle mit einem Durchmesser von etwa 0,50 m auf dem Niveau einer Bestattung erkannt und da es keinerlei Hinweis auf eine bauliche Konstruktion gab, als solche definiert wurde.
Ein eindeutig als Ofen erkennbarer Befund, möglicherweise ein Brennofen für Keramik, wurde in einer Künette am Rand der Baufläche im Westen freigelegt; ein lederhartes ungebranntes Gefäß wurde in situ auf der Bodenplatte des Ofens gefunden.
Durchaus bemerkenswert ist jedoch der zweite Befund, bei dem es sich um den Rest einer sogenannten Darre handelt, ein Ofen, in dem Getreide oder Früchte getrocknet wurden. Ein Teil des Feuerungskanals, die Sohle sowie Teile der gemauerten Kuppel sind erhalten geblieben.
Brunnen und Gruben
Von den insgesamt zwölf Brunnen datieren zehn in die römische Kaiserzeit. Fast alle sind einfache Erdbrunnen mit rundem , quadratischem oder rechteckigem Zuschnitt und einem Durchmesser von bis zu 2,0 m, bzw. einer Seitenlänge von 1,3 bis 2,8 m; lediglich einer davon wies einen runden gemauerten Brunnenschacht auf.
Vier der Brunnen liegen im Bereich der römischen Baubefunde, die anderen sind über die gesamte Maßnahmenfläche verteilt.
Wobei einer der Brunnen einen unerwarteten zusätzlichen Befund ergab: In der Verfüllung lag kopfüber ein menschliches Individuum, wohl erschlagen und anschließend im Brunnen „entsorgt“.
Alle Brunnen wurden bis zu ihrer Sohle ergraben, wobei sich in keinem Fall ein Brunnenkasten erkennen ließ. Die Sohle lag durchgehend bei ca. 8,5 m über Wr. Null, dies lässt eine fundierte Aussage über den historischen Grundwasserspiegel zu, der wohl wesentlich höher als heute lag.
Die beiden neuzeitlichen Brunnen lagen im Bereich des bereits erwähnten umfangreichen Mauerkomplexes an der Nordgrenze der Fläche und wurden erst unter dem ersten Deckel entdeckt. Sie waren beide rund mit gemauertem Brunnenschacht, im oberen Bereich dem hier erfolgten Bombeneinschlag ebenfalls zum Opfer gefallen, und wurden ebenfalls bis zu ihrer Sohle freigelegt , die bei etwa 7,70 m über Wr. Null lag.
Gruben
Auf der gesamten Grabungsfläche wurden zahlreiche Gruben und Grubenkomplexe, die aus mehreren zusammenhängenden Gruben bestanden, dokumentiert. Manche wurden wohl urprünglich zur Materialentnahme bzw. auch als Speichergruben angelegt und erst später als Abfallgruben genutzt.
Aufgrund der Verfüllung sind nur zwei dieser Gruben dem Spätmittelalter bzw. der Neuzeit zuzurechnen, vier Gruben und fünf Grubenkomplexe sind wohl im römischen Kontext zu sehen.
Das Fundaufkommen aus den Grubenkomplexen war enorm. Neben einer großen Zahl an Keramikbruchstücken, darunter viel an Terra Sigillata, oft mit Reliefdekor, einigen Münzen, verschiedenen Metallobjekten, wie etwa Beschlägen, etc., konnte daraus aber auch viel Abbruchmaterial, wie Ziegelbruchstücke, Steine und Mörtelbrocken, geborgen werden. Dies lässt den Schluss zu, dass möglicherweise einige dieser Gruben auch für die Aufnahme des beim Abbruch der Gebäude der Cannabae anfallen Materials genutzt, bzw. auch explizit dafür angelegt wurden.
Festzuhalten ist, dass die freigelegten baulichen Befunde der Römerzeit eindeutig auf den nicht flächendeckenden Abbruch zumindest einzelner Gebäude der Cannabae im 3. Jh. n.Chr. zugunsten der Anlage eines Friedhofes verweisen. Dies trifft vor allem auf den nördlichen Teil der Fläche zu, wo etwa im mittleren Bereich vom Norden her bis nach der Mitte des Platzes immer wieder bauliche Reste freigelegt wurden, während im Randbereich im Osten und Westen die Bestattungen dominierten.
Gräber
Aus der Historie ist die Auflassung der Cannabae um die Mitte des 3. Jahrhunderts n.Ch. bekannt, auch die nachfolgende Anlage einer Begräbnisstätte in diesem Bereich. Bei der Erweiterung des Platzes und der Errichtung der Häuser an Nord-, Ost- und Südseite des Platzes ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden auch immer wieder Gräber aufgedeckt und dokumentiert. Diese Funde wurden auch bereits publiziert.
Es war daher überaus spannend, den restlichen, noch ungestörten Bereich des Platzes im Hinblick auf dieses Gräberfeld abzuklären. Und die Erwartungen wurden mehr als erfüllt.
Überraschend war die große Anzahl der Gräber, die die vielfältigen Eingriffe in den Platz überstanden hatten. Es waren insgesamt 62; die meisten (27) davon einfache Erdgräber mit mehr oder weniger exakt definierter Grabgrube, daneben aber auch drei gesicherte und ein vermutliches Steinkistengrab sowie acht Ziegelplattengräber.
Obwohl viele Bereiche des Platzes durch vorangegangene Bautätigkeit stark beeinträchtig waren, fand sich doch eine Fläche, die einen relativ ungestörten Ausschnitt aus dem antiken Gräberfeld erbrachten. Im Bereich südöstlich des Providentia-Brunnens wurden auf einer Fläche von ca. 200 m2 insgesamt 21 Gräber freigelegt, die die Jahrhunderte überdauert hatten. Es waren auch hier meist einfache Erdbestattungen, wobei die Toten in relativ knapp bemessenen Grabgruben lagen; daneben fanden sich aber auch drei der Ziegelplattengräber und ein mögliches Steinkistengrab. In den meisten Fällen war das Skelett noch zur Gänze erhalten, der Zustand der Knochen auch relativ gut.
In einer Fortsetzung nach Norden hin lagen an der östlichen Grenze des Platzes vor dem Haus Neuer Markt ON 3 in einer schmalen, etwa 11 m langen Künette in einfachen Grabgruben acht Bestattungen, die zum Teil zwar massiv gestört waren, aber anschaulich die Ausdehnung des Gräberfeldes bis an den Rand des Platzes im Osten belegen.
Die am weitesten im Süden gelegenen Gräber befanden sich auf Höhe des Hauses Tegetthoffstraße 3 und wurden beim Abtiefen für die Ein/Ausfahrtsrampe freigelegt. Eines davon war ein Ziegelplattengrab, das zweite ein einfaches Erdgrab.
Generell ist zu den Bestattungen zu sagen, dass sie von ihrer Orientierung her sehr variabel angelegt waren. So erkennbar waren zwölf Gräber West-Ost orientiert, elf Nordwest-Südost, zehn Ost-West, sechs Südwest-Nordost, drei Süd-Nord, und jeweils ein Grab Südost-Nordwest bzw. Nord-Süd. Die Toten waren durchwegs in gestreckter Rückenlage mit unterschiedlicher Armhaltung im Grab deponiert worden. Vierzehn hatten die Arme über Becken oder Brust gekreuzt, bei vieren waren die Arme leicht angewinkelt mit den Händen am Becken, zwei hatten den linken Arm gerade am Körper liegen und den rechten leicht angewinkelt am Becken, und bei zweien lagen die Arme gestreckt entlang des Körpers.
Die Geschlechterverteilung, so definierbar, ist eine relativ ausgeglichene: 22 Männern stehen 18 Frauen gegenüber. Anders sieht es beim Sterbealter aus; hier haben lediglich zwei Frauen ein Alter über 50 erreicht, während dies doch bei sechs Männern der Fall war.
An Kindern bis zum Alter von 10 Jahren finden sich gesichert sechs, bis zum Alter von 14 Jahren ebenfalls sechs. Von den insgesamt 62 dokumentierten Gräbern war mehr als die Hälfte beigabenlos. In den 26 mit Beigaben ausgestatteten Gräbern fanden sich Teller, Krüge, Glasflaschen oder Glasbecher, in zwei Fällen auch ein Messer, hie und da auch eine Gürtelschnalle oder eine Fibel. Manchmal trugen die Toten einfachen Schmuck, wie Halsketten aus Glasperlen sowie tordierte oder glatte Buntmetallarmreifen, aber auch ein Armreif mit Kreisaugenzier war darunter, der aus einem komplett gestörten Grab stammt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die archäologischen Untersuchungen im Bereich der Tiefgarage Neuer Markt äußerst zufriedenstellend waren.
Die zahlreichen Gräber belegen eindrucksvoll die Ausdehnung des Friedhofs, der sich hier auf dem Areal der römischen Vorstadt des Legionslager Vindobona im 3. Jh. n.Chr. befunden hat.
Die umfangreichen römischen Mauerzüge in der Mitte des Platzes weisen auf einen zumindest nicht rigorosen Abbruch der Gebäude hin, einige werden wohl noch einige Zeit bestanden haben.
Was die neuzeitlichen Kellereinbauten betrifft, so hat sich die Annahme einer sich über den ganzen Platz erstreckenden und miteinander verbundenen Kellerlandschaft nicht bestätigt. Einige Keller wurden wohl relativ weit zur Mitte vorgetrieben, waren jedoch nicht mit den gegenüber liegenden verbunden.
Die zahlreichen Funde befinden sich, so nicht in der Restaurierung am Institut für Urgeschichte und historische Archäologie, bereits im Depot des Wien Museums.
Die aus den Gräbern geborgenen Skelette wurden der Anthropologischen Abteilung am Naturhistorischen Museum übergeben; einige Proben daraus befinden sich zu DNA Analysen an der Universität Durham.
Auftraggeber: Neuer Markt Garagenerrichtungs- und Bestriebsgesellschaft m.b.H.